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Ramses kehrt zurück! OLG Braunschweig zu Kabelweitersendung im Ferienpark

28.01.2020, Germany, Frankfurt

In einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung hat sich das Oberlandesgericht Braunschweig (Urteil vom 17. April 2019, Az.: 2 U 56/18) mit der Frage auseinandergesetzt, ob es eine öffentliche Wiedergabe darstellt, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft einer Ferienanlage mittels einer zentralen Kopfstation Rundfunksignale via Satellit empfängt und in die einzelnen Wohneinheiten weiterleitet. Das Gericht hat sich in seiner Urteilsbegründung intensiv mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs in Sachen Ramses aus dem Jahr 2015 befasst.

Worum ging es?

Die Beklagte, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, vereint insgesamt 1.160 Wohneinheiten, verteilt auf neun Gebäude. Die Wohnungseigentümer nutzen die Wohnungen teils selbst, teils überlassen sie sie Dauermietern oder vermieten sie als Ferienwohnung an wechselnde Feriengäste. Bei einem der Eigentümer, die ihre Wohnungen als Ferienwohnungen vermarkten, handelt es sich um eine GmbH.

Die Wohnanlage verfügt über eine Kabelverteilanlage zur Versorgung der Bewohner der Mehrparteienhäuser mit TV- und Radioprogrammen. Die Beklagte empfängt die über Satellit ausgestrahlten Programmsignale der von der Klägerin, einer Verwertungsgesellschaft, vertretenen Sendeunternehmen über eine zentrale Kopfstation via Satellit und sendet diese sodann über das von ihr betriebene Hausverteilnetz an die angeschlossenen Wohnungen weiter. Daneben werden über die gleiche Anlage 106 Wohneinheiten eines weiteren Hauses versorgt, welches eine eigenständige Wohnungseigentümergemeinschaft bildet, also nicht zur Beklagten gehört. Die Kosten für die Anlage werden zwischen den beiden Wohnungseigentümergemeinschaften anteilig verteilt.

Das Urteil des OLG Braunschweig

Unter Hinweis auf das Ramses-Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. September 2015 (Az.: I ZR 228/14) kündigte die beklagte Eigentümergemeinschaft den bestehenden Lizenzvertrag mit der Verwertungsgesellschaft, woraufhin diese Klage einreichte. Die Verwertungsgesellschaft verfolgt mit der Klage ihr vermeintlich zustehende Ansprüche auf Zahlung einer entsprechenden Lizenzgebühr.

Das OLG Braunschweig hat der Klage der Verwertungsgesellschaft stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung der ursprünglich vereinbarten Lizenzgebühr verurteilt. Im Rahmen seiner Urteilsbegründung hat sich das Gericht intensiv mit dem Ramses-Urteil des BGH sowie den tatsächlichen Gegebenheiten des vorliegenden Falles befasst. Es kam schließlich zu dem Ergebnis, dass sich die beiden Sachverhalte in wenigen, dafür aber wesentlichen Punkten unterscheiden und dass somit auch ein anderes Ergebnis gerechtfertigt sei.

Öffentliche Wiedergabe

Zunächst stellt das OLG Braunschweig nochmal die Kriterien vor, anhand derer die hier entscheidende Frage, ob die Kabelweitersendung als öffentliche Wiedergabe im Sinne des § 15 Abs. 3 UrhG einzustufen ist, zu beurteilen ist. Hiernach ist die Wiedergabe öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört nach dieser Bestimmung jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist (zu den einzelnen Voraussetzungen siehe unsere Beiträge zum Ramses-Urteil des BGH: siehe hier, hier, hier sowie ausführlich hier).

Sodann befasst sich das Gericht mit den einzelnen Tatbestandsmerkmalen. Das Merkmal der „recht vielen Personen" bejaht das Gericht angesichts der großen Menge an Wohneinheiten (über 1.000) problemlos. Es stellt zudem fest, dass die Weiterberechnung der Lizenzgebühr als Umlage an die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft zwar darlege, dass die Beklagte keine Erwerbszwecke verfolge, dies sei vorliegend jedoch unerheblich.

Unbestimmte Zahl möglicher Adressaten

Schließlich widmet sich das OLG Braunschweig der Kernfrage: Erfolgt die Weiterleitung innerhalb der gegenständlichen Kabelanlage an eine unbestimmte Zahl möglicher Adressaten? Das Gericht kommt hierbei zu dem Schluss, dass bei einer Gesamtbetrachtung vorliegend die Zugänglichmachung der Werke oder Leistungen nicht auf besondere Personen beschränkt ist, die einer „privaten Gruppe" angehören, sondern für „Personen allgemein" erfolgt. Hierbei setzt sich das Gericht auch mit dem Ramses-Urteil des BGH auseinander.

Im Unterschied zum Sachverhalt, der dem Urteil des BGH zugrunde lag, würden die Eigentümer vorliegend gerade nicht nur an die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft – also quasi „an sich selbst" – weiterleiten. Vielmehr sei dem Umstand Rechnung zu tragen, dass mögliche Empfänger nicht nur alle Bewohner des Gebäudes seien, sondern auch der unbestimmte Kreis ihrer wechselnden Gäste – dies blieb bei der Entscheidung des BGH aufgrund der geringeren Anzahl von 343 Wohneinheiten unberücksichtigt, muss nach dem OLG Braunschweig vorliegend bei 1.161 Wohneinheiten jedoch Berücksichtigung finden.

Wechselnde Feriengäste

Ausschlaggebend ist jedoch die Tatsache, dass die Signale nicht nur an die Eigentümer weitergeleitet werden, sondern insbesondere auch an die stetig wechselnden Gäste der Ferienwohnungen. Bereits der Name des Objekts weise darauf hin, dass es sich um einen Ferienpark handele, erklärten die Richter. Dementsprechend werde ein nicht unerheblicher Teil der Wohnungen an Dauermieter und ständig wechselnde Feriengäste vermietet, die wiederum nicht Mitglieder der Beklagten seien.

Bei den Feriengästen handele es sich um eine Wiedergabe für „Personen allgemein", die nicht allein deshalb zu Mitgliedern einer „privaten Gruppe" gehörten, weil sie sich vorübergehend in der Anlage der Beklagten aufhalten. Diese Feriengäste seien vielmehr mit den Gästen eines Hotels vergleichbar, weil auch bei ihnen der Zugang zu den Wohnungen auf ihrer persönlichen Entscheidung beruht und durch die Aufnahmekapazität der zur Verfügung stehenden Ferienwohnungen begrenzt wird. Ebenso wie die Gäste eines Hotels als Öffentlichkeit anzusehen sind (vgl. EuGH, Urteil vom 15. März 2012, Az.: C-162/10 – PPL/Irland), müsse gleiches für die Gäste von Ferienwohnungen gelten.

Absichtlich und gezielt tätig

Der Einwand der Beklagten, die Vermietung an Feriengäste sei ihr nicht zuzurechnen, weil sie auf der jeweiligen Entscheidung der einzelnen Wohnungseigentümer beruhe, überzeugte das OLG Braunschweig nicht. Da die Beklagte um den Umstand wisse, dass eine Vielzahl der Wohnungen auch von wechselnden Feriengästen genutzt wird, werde sie absichtlich und gezielt tätig, um auch diesen einen Zugang zu den geschützten Werken zu verschaffen, den diese ohne die Kabelweiterleitung durch die Beklagte nicht gehabt hätten.

Schließlich sei auch zu berücksichtigen, erklären die Richter weiter, dass die beklagte Eigentümergemeinschaft die Signale nicht nur an die eigenen Mitgliederwohnungen, sondern auch an die 106 Wohneinheiten des Hauses der anderen Eigentümergemeinschaft weiterleite.

Einordnung des Urteils

Für die Frage, ob Antennengemeinschaften von einer Pflicht zur Zahlung einer Lizenzgebühr befreit sind, dürfte das Urteil jedoch keine gravierende Bedeutung haben. Wie wir an dieser Stelle bereits mehrfach ausgeführt haben (siehe hier, hier, hier sowie ausführlich hier), ist es in Anbetracht des Ramses-Urteils des BGH durchaus denkbar, dass Antennenvereine im konkreten Einzelfall von der Pflicht zur Zahlung einer Lizenzgebühr ausgenommen sind.