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BGH zur Betriebskostenumlage: Noch müssen Mieter zahlen

19.11.2021, News

 Am 18. November 2021 hat der Bundesgerichtshof (Urt. v. 18.11.2021, Az.: I ZR 106/20) entschieden, dass Mieter (noch) für die Kosten aufkommen müssen, die für einen vom Vermieter ausgewählten Breitbandanschluss entstehen und über die Betriebskosten abgerechnet werden. Derartige Vereinbarungen in Mietverträgen würden nicht gegen das Telekommunikationsgesetz in seiner geltenden Form verstoßen.

Wettbewerbszentrale klagt gegen große Vermieterin

Die Beklagte ist eine Immobiliengesellschaft und Vermieterin von mehr als 120.000 Mietwohnungen im Ruhrgebiet. 108.000 dieser Wohnungen sind an ein Kabelfernsehnetz angeschlossen, über das Fernseh- und Hörfunkprogramme übertragen werden und das auch für andere Dienste wie Telefonate und Internet genutzt werden kann. Die hierfür anfallenden Kosten werden von der Vermieterin als Betriebskosten auf ihre Mieter umgelegt. Die Mietverträge sehen keine Möglichkeit vor, während der Dauer des Mietverhältnisses die Versorgung der Wohnung mit Fernseh- und Hörfunksignalen zu kündigen.

Geklagt hatte die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Sie sieht in der fehlenden Kündigungsmöglichkeit einen wettbewerbswidrigen Verstoß gegen § 43b TKG. Hiernach darf unter anderem die anfängliche Mindestlaufzeit eines Vertrages zwischen einem Verbraucher und einem Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten 24 Monate nicht überschreiten. Weil in den Mietverträgen keine Regelung enthalten sei, nach der der Kabelanschluss wenigstens nach 24 Monaten kündbar ist, liege ein Verstoß gegen § 43b Satz 1 TKG vor. Weil die Beklagte auch keine Verträge mit einer Laufzeit von nur 12 Monaten anbiete, verstoße sie zudem gegen § 43b Satz 2 TKG.

BGH: Kein Verstoß gegen § 43b TKG

Dieser Ansicht ist der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs nicht gefolgt. Nach seiner Ansicht sei in den Mietverträgen keine Laufzeit von mehr als 24 Monaten vereinbart. Auch müsse die Beklagte keine Verträge mit einer Laufzeit von nur 12 Monaten anbieten.

Der Bundesgerichtshof stellte vielmehr fest, dass die Mietverträge von der Beklagten auf unbestimmte Zeit geschlossen und von den Mietern binnen der gesetzlichen Frist des § 573c Abs. 1 Satz 1 BGB gekündigt werden könnten. Insofern scheide eine unmittelbare Anwendung des § 43b TKG auf die von der Beklagten geschlossenen Mietverträge daher aus.

Keine analoge Anwendung von § 43b TKG

Auch eine sogenannte analoge Anwendung von § 43b scheide aus, weil sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergebe, dass der Gesetzgeber große Wohnungsbaugesellschaften gerade nicht den Pflichten des § 43b TKG unterwerfen wollte. Dies ergebe sich auch aus der bevorstehenden Änderung des Telekommunikationsgesetzes.

Denn ab dem 1. Dezember 2021 ist nun ausdrücklich geregelt, dass Verbraucher die Inanspruchnahme von Telekommunikationsdiensten im Rahmen eines Mietverhältnisses nach 24 Monaten beenden können, § 71 Abs. 1 Satz 1 und 3 TKG-neu – ohne Auswirkung auf den Mietvertrag. Dies gilt nach § 230 Abs. 4 TKG-neu aber erst ab dem 1. Juli 2024 und wenn die Gegenleistung – wie vorliegend – ausschließlich als Betriebskosten abgerechnet wird.

Der BGH betonte jedoch, dass die Beklagte gleichwohl einen Telekommunikationsdienst im Sinne des § 3 Nr. 24 TKG erbringe, indem sie Kabel-TV-Anschlüsse bereitstelle. Öffentlich zugänglich sei der Dienst insbesondere aufgrund der hohen Anzahl an Wohnungen, die mit einem Anschluss ausgestattet sind.

Ausblick: Die TKG-Novelle 2021

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs stellt zwar klar, dass die Kosten eines Breitbandanschlusses auf die Mieter umgelegt werden können. Zudem stellt die Entscheidung klar, dass dies nicht dazu führt, dass Vermieter – obwohl sie einen Telekommunikationsdienst erbringen – ihren Mietern Verträge mit einer Laufzeit von 12 bzw. 24 Monaten anbieten müssen.

Künftig, genauer ab dem 1. Dezember 2021 bzw. spätestens ab dem 1. Juli 2024, gelten andere Regeln. Dann können die Kosten eines Breitbandanschlusses nicht mehr über die Betriebskosten auf die Mieter umgelegt werden. Zudem erhalten die Mieter die Möglichkeit, die Inanspruchnahme von Telekommunikationsdiensten im Rahmen eines Mietverhältnisses nach 24 Monaten zu kündigen.

Folgen für Mieter, Vermieter und Netzbetreiber

Mieter, die keinen entsprechenden Anschluss haben oder sich den Anbieter frei auswählen wollen, haben nun die Möglichkeit dazu. Vermieter wiederum müssen prüfen, wie sie mit der veränderten Situation umgehen und ob ggf. ein Sonderkündigungsrecht in Betracht kommt.

Netzbetreiber werden sich künftig damit zu arrangieren haben, dass das bislang praktizierte Sammelinkasso vermutlich der Vergangenheit angehören wird; ob eine andere Finanzierung des Breitbandausbaus (beispielsweise über das neu eingeführte Glasfaserbereitstellungsentgelt, die gegebenenfalls etwas angehobenen Mitnutzungsentgelte oder über eine Beteiligung der Vermieter und Mieter über eine Modernisierungsumlage) in Betracht kommt, ist im Einzelfall genauer zu betrachten.