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Regionale Werbung im nationalen Fernsehen - Gericht hält Verbot für europarechtswidrig

31.01.2022, News

Kurz vor Weihnachten, genauer am 23. Dezember 2021, hat das Landgericht Stuttgart das von uns bereits vor knapp 12 Monaten besprochene Urteil des EuGH zur Frage, ob regionale Werbung im nationalen Fernsehen erlaubt ist, (https://www.medialabcom.de/newsletter/2021/03/index.html#beitrag6) umgesetzt (LG Stuttgart, Urt. v. 23.12.2021, Az. 20 O 43/19).

Auch das Landgericht Stuttgart hält das Verbot regionaler Werbung für europarechtswidrig, weil es mit dem freien Dienstleistungsverkehr (Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV) und dem unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) nicht vereinbar sei.

SevenOne Media verweigert Ausstrahlung

Die österreichische Fussl Modestraße Mayr GmbH betreibt in Österreich und im Freistaat Bayern eine Kette von Modegeschäften. Zur Bewerbung dieser schloss sie im Jahr 2018 mit der SevenOne Media GmbH, der Vermarktungsgesellschaft der ProSiebenSat.1-Gruppe, einen Vermarktungsvertrag. Dieser sah vor, dass über die in Bayern liegenden Kabelnetze der Vodafone Kabel Deutschland GmbH im Rahmen des bundesweiten Programms des Senders ProSieben Fernsehwerbung von Fussl ausgestrahlt werde.

Unter Berufung auf § 7 Abs. 11 des Rundfunkstaatsvertrags, nunmehr ersetzt durch den wortgleichen § 8 Abs. 11 des Medienstaatsvertrags, verweigerte SevenOne Media die Ausstrahlung der Fernsehwerbung. Nach diesen Vorschriften sei es ihr untersagt, so SevenOne Media, Fernsehwerbung im Rahmen bundesweit verbreiteter Programme regional auszustrahlen.

Von der im Medienstaatsvertrag bzw. Rundfunkstaatsvertrag vorgesehenen Möglichkeit, regionale Werbung auf nationalen Fernsehkanälen zuzulassen, hat der Freistaat Bayern bislang keinen Gebrauch gemacht.

Modekette zieht vors Gericht

Daraufhin nahm Fussl SevenOne Media vor dem Landgericht Stuttgart (Az. 20 O 43/19) auf Erfüllung des Vertrags in Anspruch. Das Landgericht legte im Rahmen des Verfahrens dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die Regelung des Staatsvertrags europarechtskonform sei oder gegen die Regelungen des Art. 56 AEUV zum freien Dienstleistungsverkehr verstoßen.

Am 3. Februar 2021 hat der EuGH (Az.: C-555/19 (http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=237285&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1)) sein Urteil gesprochen: Das grundsätzliche Verbot aus dem deutschen Medienstaatsvertrag, im Rahmen bundesweit ausgestrahlter deutscher Fernsehprogramme Werbung nur regional zu zeigen, könnte gegen Unionsrecht, insbesondere die Dienstleistungsfreiheit, verstoßen.

LG Stuttgart schließt sich EuGH an

Das Urteil des EuGH hat das Landgericht Stuttgart nun umgesetzt und SevenOne Media zur Ausstrahlung der Werbung verurteilt. Nach Ansicht des Landgerichts sei der mit dem regionalen TV-Werbeverbot für bundesweite Fernsehsender verbundene Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit nicht gerechtfertigt. Das Verbot sei nicht dazu geeignet, sein angestrebtes Ziel – den Schutz regionaler TV-Sender, denen Regionalwerbung gestattet ist – umfassend zu erreichen.

Zur Begründung zieht das Landgericht Stuttgart einen Vergleich zu Internetplattformen: Nach Überzeugung des Gerichts stellen die über Internetplattformen erbrachten Werbedienstleistungen auf dem regionalen Markt gleichfalls eine echte Konkurrenz für die regionalen und lokalen Fernsehveranstalter dar. Die Internetplattformen würden in ähnlich großem Maße wie die nationalen Fernsehveranstalter die Einnahmen gefährden, die die regionalen und lokalen Fernsehveranstalter mit dieser Werbung erzielen. Von den Internetplattformen gehe daher die gleiche Gefahr für das finanzielle Wohlergehen und den Fortbestand der regionalen und lokalen Fernsehveranstalter aus. Ein Schutz des Medienpluralismus sei daher mit einem regionalen TV-Werbeverbot für bundesweite TV-Sender nur bruchstückhaft zu erreichen. Die mit dem Verbot verbundene Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit sei daher im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs inkohärent. Auf Grund dieser Inkohärenz sei das Verbot bereits ungeeignet, sein angestrebtes Ziel – den Schutz des Medienpluralismus – umfassend zu verwirklichen.

Beide Parteien jubeln

Im Nachgang zum Urteil konnte man etwas beobachten, das es nicht häufig gibt: Sowohl die Klägerin als auch die Beklagte freuten sich über das Urteil und gaben entsprechend positiv gestimmte Pressemeldungen heraus. Denn nun, nach dem Urteil des Landgerichts Stuttgart, dürften sich sowohl Klägerin als auch Beklagte freuen - und die regionale Werbekampagne starten. Es ist jedoch weiterhin Vorsicht geboten: Das Urteil des Landgerichts Stuttgart gilt grundsätzlich nur inter partes, also im Verhältnis zwischen den am Prozess beteiligten Parteien. § 8 Abs. 11 des Medienstaatsvertrages bleibt insofern grundsätzlich in Kraft – die Medienanstalten sind weiterhin hieran gebunden und müssen prüfen, ob sie die Sicht des Landgerichts teilen. Angesichts dessen erscheint es wahrscheinlich, dass sich in absehbarer Zukunft auch die Verwaltungsgerichte mit der Frage der regionalen Werbung im nationalen TV auseinandersetzen werden…