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Deutsche Investitionen in Großbritannien unter dem National Security and Investment Act 2021

14.03.2022, News

Die neue britische Regelung zur nationalen Sicherheit im Rahmen des National Security and Investment Act („NSI Act") ist am 4. Januar 2022 in Kraft getreten. Nach dem NSI Act ist die britische Regierung (der Secretary of State) befugt, bestimmte Transaktionen, die ihrer Meinung nach ein Risiko für die nationale Sicherheit darstellen, zu verbieten oder rückgängig zu machen bzw. ihre Genehmigung an Bedingungen zu knüpfen.

Der NSI Act kann auch auf Investitionen deutscher Anleger Anwendung finden. Aus Gründen der Sensibilisierung fassen wir daher die wichtigsten Erkenntnisse für deutsche Anleger wie folgt zusammen:

1. Obligatorische Notifizierung

  • Bestimmte Sektoren unterliegen einer verschärften Meldepflicht und können als die wahrscheinlichsten Ziele für eine Überprüfung im Rahmen der neuen Regelung angesehen werden;
  • Diese 17 Sektoren sind: (a) fortgeschrittene Werkstoffe - einschließlich z. B. fortgeschrittener Verbundwerkstoffe, Halbleiter, Graphen und Nanotechnologie; (b) fortgeschrittene Robotik; (c) KI; (d) zivile Kernkraft; (e) Kommunikation; (f) Computer-Hardware (hauptsächlich CPUs und zugehöriges geistiges Eigentum); (g) kritische Lieferanten für die Regierung; (h) kritische Zulieferer für Notdienste; (i) kryptografische Authentifizierung; (j) Dateninfrastruktur; (k) Verteidigung; (l) Energie; (m) Militär und Dual Use; (n) Quantentechnologien; (o) Satelliten- und Raumfahrttechnologien; (p) synthetische Biologie; und (q) Verkehr. Diese Sektoren werden in den Verordnungen im Rahmen des NSA Actsdetailliert definiert, aber ein nützlicher Ausgangspunkt ist der hier veröffentlichte Leitfaden der britischen Regierung zu den Bereichen, die unter diese Sektoren fallen;
  • Die meldepflichtigen Sektoren sind weit gefasst und werden viele Unternehmen erfassen, die nicht davon ausgehen, dass ihre Tätigkeit Auswirkungen auf die nationale Sicherheit hat;
  • Die Regelung gilt grundsätzlich für jedes britische Unternehmen und auch für jedes ausländische Unternehmen, das im Vereinigten Königreich tätig ist oder Waren und Dienstleistungen an Personen im Vereinigten Königreich liefert, unabhängig von der Branche (dies gilt auch für die "freiwillige" Regelung einschließlich Vermögenswerten - siehe unten). Dies hängt vom Ausmaß der Verbindungen zwischen dem ausländischen Unternehmen und dem Vereinigten Königreich ab (die britische Regierung hat zu diesem Punkt hier eine Anleitung herausgegeben);
  • Wenn ein Unternehmen zu einem meldepflichtigen Sektor gehört, müssen geplante Transaktionen, die dazu führen, dass ein Investor mehr als 25 %, 50 % oder 75 % der Stimmrechte oder Anteile an dem Unternehmen hält, gemeldet werden;
  • Wenn eine Anmeldung vorgeschrieben ist, darf die Transaktion nicht abgeschlossen werden, bevor der Secretary of State seine Zustimmung erteilt hat, was bis zu 30 Arbeitstage dauern kann (und länger, wenn die Transaktion zur förmlichen Prüfung herangezogen wird). Die Erwerber müssen eine Anmeldung in einer bestimmten Form einreichen, und obwohl dies kein besonders komplexes Unterfangen ist, bedeutet dies zumindest einen gewissen Compliance-Aufwand, um sicherzustellen, dass die Anmeldung korrekt und vollständig ist, sowie die Notwendigkeit, den Überprüfungsprozess in den Zeitplan der Transaktion einzubeziehen;
  • Es ist eine Straftat, eine solche Transaktion ohne vorherige Anmeldung und Genehmigung durchzuführen; zudem istin diesem Fall die Transaktion selbst nichtig.

Da typische Angel- oder VC-Investitionen nur selten den Schwellenwert von 25 % (oder mehr) erreichen, wird die Meldepflicht hauptsächlich für M&A-Transaktionen gelten. Angel-/VC-Investoren, die kleinere Investitionen tätigen, sollten sich dennoch der Meldepflicht bewusst sein, da diese in einigen Fällen die Durchführbarkeit eines Ausstiegs (Exit) beeinträchtigen könnte. Es ist auch zu beachten, dass in Fällen, in denen einzelne Investoren Beteiligungen unterhalb der benannten Schwellenwerte erwerben, aber eine Vereinbarung treffen, ihre Rechte gemeinsam mit anderen Investoren auszuüben, ihre Beteiligungen für die Zwecke dieser Schwellenwerte zusammengerechnet werden.

Ein Beispiel: Eine Investition eines deutschen VC-Fonds in ein britisches SpaceTech-Startup in Höhe von 10 % der Anteile löst nicht die obligatorische Meldepflicht aus, selbst wenn das SpaceTech-Startup unter einen oder mehrere der 17 relevanten Sektoren fällt (z. B. Kommunikation, Dateninfrastruktur, Verteidigung; Militär und Dual Use Technologien sowie Satelliten- und Raumfahrttechnologien). Hat dieser VC-Fonds jedoch eine Vereinbarung mit einem anderen Investor (z.B. Angel, der 18 % erwirbt) getroffen, um ihre Rechte gemeinsam auszuüben, würde dies insgesamt 28 % ausmachen und damit die Meldepflicht auslösen. Selbst im ersten Fall (Einzelinvestition von 10 %) müsste sich der Investor darüber im Klaren sein, dass beim Ausstieg (Exit) die neuen Erwerber die Meldepflicht auslösen könnten.

2. Call-in-Power (Heranziehungsbefugnis zur Überprüfung)

  • Neben der obligatorischen Anmeldung kann die britische Regierung jede Transaktion in einem beliebigen Sektor, die am oder nach dem 12. November 2020 abgeschlossen wurde bzw. wird, aktiv im Rahmen der sog. "Call-in Power" zur Überprüfung heranziehen;
  • Diese Befugnis kann auch für Investitionen innerhalb der 17 spezifizierten Sektoren gelten, die unter der "obligatorischen" Schwelle von 25 % liegen, wenn der Erwerber einen "wesentlichen Einfluss" erlangt (ein Begriff, der aus der kartellrechtlichen Fusionskontrolle stammt);
  • Auch bei Unternehmen, die nicht der Meldepflicht unterliegen, kann eine Transaktion, die dazu führt, dass ein Investor oder Erwerber mehr als 25 %, 50 % oder 75 % der Stimmrechte oder Anteile an dem Unternehmen hält oder einen "wesentlichen Einfluss" erwirbt, zur Prüfung herangezogen werden;
  • Derzeit gilt die Heranziehungsbefugnis (aber nicht die Meldepflicht) auch für den Erwerb von qualifizierten Vermögenswerten, zu denen Grundstücke, Sachanlagen oder Ideen, Informationen oder Techniken gehören können, die einen industriellen, kommerziellen oder sonstigen wirtschaftlichen Wert haben (z. B. Geschäftsgeheimnisse, Datenbanken, Quellcode, Algorithmen). Auch dies kann auf ausländische Vermögenswerte zutreffen, wenn sie für eine Tätigkeit im Vereinigten Königreich oder für die Lieferung von Waren oder Dienstleistungen im Vereinigten Königreich verwendet werden.
  • Es wird davon ausgegangen, dass diese Heranziehungsbefugnis nur in seltenen Fällen und in Sektoren mit besonderer strategischer Bedeutung ausgeübt wird.

Da bei Nichteinhaltung der Vorschriften erhebliche Sanktionen drohen (einschließlich der Möglichkeit, eine Transaktion rückgängig zu machen), sollten die beteiligten Unternehmen, wenn die Befürchtung besteht, dass eine laufende Transaktion im Rahmen dieser Heranziehungsbefugnisse beeinträchtigt werden könnte, frühzeitige Gespräche mit der britischen Regierung in Erwägung ziehen, um das Risiko abzuschätzen und erforderlichenfalls eine freiwillige Anmeldung vorzunehmen, um eine Genehmigung zu erhalten. Investoren sollten beachten, dass - abgesehen von der Notwendigkeit, im Zeitplan der Transaktion Zeit dafür einzuplanen - das Anmeldeverfahren relativ unkompliziert und wahrscheinlich nicht mit erheblichen Kosten verbunden ist (und sich somit stark von der fusionskontrollrechtlichen Freigabe unterscheidet). Die britische Regierung hat angedeutet, dass sie informelle Gespräche über "Grenzfälle" begrüßt, so dass Investoren diese Option in Betracht ziehen sollten, um spätere Probleme zu vermeiden. Diese Möglichkeit der informellen Beratung kann auch im Falle der obligatorischen Regelung nützlich sein - z. B. bei der Frage, ob ein ausländisches Unternehmen eine entsprechende Verbindung zum Vereinigten Königreich hat, so dass der fragliche Erwerb in den Anwendungsbereich der Regelung fällt.