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Neue Regelungen für mehr Energiesicherheit

08.07.2022, News

Energierechtliche Gesetze haben zurzeit eine kurze Halbwertzeit. Neben der Verabschiedung des Osterpaketes rund um das EEG und weiterer Gesetze, die den beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien ermöglichen, wurde die zeitnahe Überarbeitung der nationalen Wasserstoffstrategie angestoßen.

Unmittelbar helfen sollen erneute, weitreichende Änderungen u.a. des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), des Energiesicherheitsgesetzes (EnSiG) und der AVFernwärmeverordnung., die den Weg für kurzfristige Reaktionsmöglichkeiten auf ausbleibende Gaslieferungen ebnen. Die entsprechenden Gesetzesvorlagen werden bereits heute im Bundesrat behandelt, so dass mit einer zeitnahen Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt zu rechnen ist.

Die Neuerungen sind sowohl für Gas- und Wärmeversorger als auch Letztverbraucher gleichermaßen relevant:

Weitergabe von Mehrkosten durch „saldierte Preisanpassung“

Die im Novellierungsverfahren umstrittene individuelle Preisanpassungsmöglichkeit nach § 24 EnSiG könnte ihre Relevanz schon wieder verlieren. Denn mit dem nun neu eingeführten § 26 EnSiG schafft die Bundesregierung eine Ermächtigungsgrundlage, um eigenständig eine Verordnung zu erlassen. In dieser soll geregelt werden, dass an die Stelle der Preisanpassungsrechte eine sog. Saldierte Preisanpassung ermöglicht wird. Das Inkrafttreten einer solchen Verordnung würde dann die Anwendung der Preisanpassungsrechte nach § 24 EnSiG ausschließen, Details müssen in der Verordnung selbst geregelt werden.

Eine solche saldierte Preisanpassung wäre zunächst auf bis zu zwei Jahre befristet. Aus ihm würden die Gasimporteure als Anspruchsberechtigte des finanziellen Ausgleichs für ihre Ersatzbeschaffung entschädigt. Der Verpflichtete wird in der Verordnung bestimmt und belastet den Ausgleich über die saldierte Preisanpassung an die Bilanzkreisverantwortlichen im Marktgebiet weiter. Damit werden die Mehrkosten voraussichtlich über die Lieferanten bis zum Endkunden weitergeben, Einzelheiten bleiben aber solange unklar, bis die Verordnung kommt.

Im Bundesrat wird heute ein kurzfristiges Preisanpassungsrecht in Wärmelieferverträgen wegen höheren Kosten der Ersatz-Gasbeschaffung behandelt, so dass dann auch für Wärme ein dem § 24 EnSiG vergleichbares individuelles Anpassungsrecht bestünde.

Präventive Einsparvorgaben

Ebenfalls neu eingefügt wird eine Verordnungsermächtigung, die Vorgaben zur Einsparung und Reduzierung des Erdöl-, Gas- oder Stromverbrauchs ermöglicht. Ziel ist hier, präventiv eine unmittelbare Gefährdung oder Störung der Energieversorgung zu vermeiden. Die Vorgaben aus einer solchen Rechtsverordnung sollen und könnten daher frühzeitig, heißt noch vor physikalischen Engpässen und vor dem Einsatz der Bundesnetzagentur als Lastenverteiler, relevant werden. Als konkrete Maßnahmen sind hier bspw. Vorgaben zu Maximaltemperaturen in Büroräumen denkbar.

Stabilisierungsmaßnahmen für Kritische Infrastrukturen im Sektor Energie

Zur Rettung der großen Importeure und Versorgungsunternehmen werden außerdem Erleichterungen für die Stabilisierung aufgenommen, welche vorrangig vor den Preisanpassungsmechanismen greifen sollen, um den Markt aus sich heraus zu stärken und zu erhalten. Kritische Infrastrukturen sind als Einrichtungen, Anlagen oder Teile, durch deren Ausfall oder ihre Beeinträchtigung erhebliche Versorgungsengpässe oder Gefährdungen für die öffentliche Sicherheit eintreten würden, von hoher Bedeutung für das Funktionieren des Gemeinwesens. Die genaue Sektoren-Unterteilung sowie die Schwellenwerte, nach denen sich bestimmt welche Betreiber zu den Kritischen Infrastrukturen gehören, finden sich beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Klar ist: Uniper als größter Gasimporteur gehört jedenfalls hier dazu.

Wichtig: Stabilisierungsmaßnahmen im Sinne dieses Gesetzes sind alle Maßnahmen, die der Sicherung oder Wiederherstellung einer positiven Fortbestehensprognose nach § 19 Absatz 2 der Insolvenzordnung oder der Durchfinanzierung der Abwicklung des Unternehmens dienen. Laut der Formulierungshilfe soll dabei gelten: „Die Stabilisierungsmaßnahmen sind im Falle einer späteren Insolvenz anfechtungsfest und die Vorschriften über Gesellschafterdarlehen im Insolvenzverfahren finden keine Anwendung. Vertragliche Kündigungsgründe und ähnliche Regelung aufgrund eines Change of Controls sind unwirksam, sofern sie durch eine Stabilisierungsmaßnahme ausgelöst werden.“

 

Was kann ich als Versorger tun, um mich vorzubereiten?

Solange die Bundesnetzagentur noch nicht festgestellt hat, dass eine erhebliche Reduzierung der Gasimportmengen nach Deutschland vorliegt, können höhere Beschaffungskosten nur über vertragliche Mechanismen weitergegeben werden. Wird die Feststellung jedoch veröffentlicht und ist die Verordnung über die saldierte Preisanpassung noch nicht in Kraft, greifen die Preisanpassungsmöglichkeiten nach § 24 Abs. 1 EnSiG, die entlang der Lieferkette weitergegeben werden können, mittelbar auch für Wärme. Sobald die Verordnung nach § 26 EnSiG aber in Kraft ist und den Ausgleichsmechanismus regelt, werden Preisänderungen in Gasverträgen nur über diesen – noch nicht konkretisierten – Preisänderungsmechanismus weitergegeben. Ob die Verordnung selbst dann eine Weitergabe an die Endkunden regelt oder vertragliche Instrumente wie Steuer- und Abgabeklauseln oder Preisanpassungsmechanismen bemüht werden müssen, bleibt erst einmal unklar.

Versorger sollten sich jedenfalls mit dem Preisanpassungsrecht nach § 24 EnSiG bzw. AVBFernwärmeV vertraut machen, sowie auch die Entwicklung der Verordnung über die saldierte Preisanpassung nach § 26 EnSiG verfolgen, um dann ggf. entstehende Mehrkosten weitergeben zu können.

Was kann ich als Letztverbraucher tun, um mich vorzubereiten?

Zwar ist noch unklar, wie genau der Ausgleich für die Gasimporteure letzten Endes weitergegeben wird. So oder so ist jedoch absehbar, dass diese Kosten über die Gaslieferverträge beim Letztverbraucher ankommen werden, auch mittelbar in Wärmelieferverträgen. Kostensenkungen können derzeit wohl nur durch Energie-Einsparungen erreicht werden. Insofern hätte eine veröffentlichte Umlage bzw. ein allgemein gültiger Ausgleichsbetrag den Vorteil größerer Transparenz und Nachvollziehbarkeit für alle Beteiligten. Vor ungerechtfertigten Liefereinstellungen sind die Letztverbraucher jedenfalls geschützt, da solche Einstellungen auf Grund von Engpässen künftig von der Bundesnetzagentur genehmigt werden müssen.

Durch die umstrittene Möglichkeit weiterer Kohlekrafteinsätze in der Stromerzeugung und möglicher Verstromungsverbote für Gas sollen schwerwiegende Auswirkungen der Gaskrise auf den Strommarkt zumindest eingedämmt werden. Auch Strom wird sich aber weiter verteuern.

Spätestens jetzt lohnt sich die Umsetzung von Maßnahmen, die sich bereits aus Energieaudits ableiten ließen. Quartierslösungen und dezentrale Versorgungskonzepte sind derzeit sehr gefragt und werden mit dem dauerhaften Wegfall der EEG-Umlage zumindest in Eigenversorgungs- und Quartiersversorgungen einfacher umsetzbar. Auch wenn solche Ansätze keine Soforthilfe versprechen, lohnt die Auseinandersetzung mit Alternativkonzepten, da eine kurzfristige Marktentspannung erst einmal nicht absehbar ist.