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Startup Strategie Deutschland - Teil 1

03.03.2022, News

Der im November 2021 präsentierte Koalitionsvertrag der Ampel-Regierungskoalition zwischen SPD, Grünen und FDP befasst sich gleich an mehrerer Stellen umfassend mit der Förderung der Startup-Szene in Deutschland.

„Wir verabschieden eine umfassende Startup-Strategie”,

heißt es in dem Koalitionsvertrag. Das Ziel ist dabei in einem Satz schnell und ambitioniert beschrieben:

„Deutschland soll führender Start-Up-Standort in Europa werden.“

Verbesserte Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen (ESOPs)

Deutschland soll dabei auch attraktiver für globale Top-Talente werden. Ein wesentlicher Schritt, um dieses Ziel zu erreichen, ist die deutliche Verbesserung der Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen.

Die Ampel Koalition beabsichtigt daher, Mitarbeiterkapitalbeteiligungen attraktiver auszugestalten, unter anderem durch eine weitere Anhebung des Steuerfreibetrags“. So sinnvoll ein solcher Schritt im Hinblick auf die Förderung des Startup-Standorts Deutschland ist, so ist eine erneute Anhebung des Steuerfreibetrags alleine bei Weitem nicht ausreichend um das Ziel führender Startup Standort in Europa zu werden zu erreichen (s. hierzu ausführlich Startup Strategie Deutschland – Mitarbeiterbeteiligungen (schalast.com)). Dabei wäre u.a. auch die von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete „Declaration on the EU Startup Nations Standard of Excellence“ vom 19.03.2021 hinreichend Anlass gewesen, diesbezüglich bereits konkretere Maßnahmen zu benennen. Aussagen des neu ernannten Bundesfinanzministers Christian Lindner deuten zumindest darauf hin, dass die Ampel-Koalition weitere Maßnahmen im Blick hat (s. (1) Posten | LinkedIn).

Vereinfachte Unternehmensgründung mittels „One Stop Shops“, attraktivere Gestaltung des Gesellschaftsrechts

Die Unternehmensgründung soll in vielerlei Hinsicht vereinfacht werden. Hierzu sollen sogenannte „One Stop Shops“ geschaffen werden, also zentrale Anlaufstellen, die nicht nur hinsichtlich der Unternehmensgründung beraten, sondern auch die Anmeldung und ggf. Förderung von Startups verwalten sollen. Sie sollen das ambitionierte Ziel erfüllen „Unternehmensgründungen innerhalb von 24 Stunden zu ermöglichen.“ Nicht zuletzt, um dieses Ziel zu erreichen, soll zudem das Gesellschaftsrecht weitreichend digitalisiert werden, etwa indem Beurkundungen per Videokommunikation ermöglicht werden, auch bei Gründungen mit Sacheinlage und weiteren Beschlüssen.

Die lange Dauer des Gründungsprozesses für eine GmbH / UG, die strikten Formvorschriften und die fehlende Digitalisierung des deutschen Gesellschaftsrechtswerden vielerseits als erheblicher Standortnachteil gesehen. Die Idee klingt daher vielversprechend und wäre ein notwendiger Schritt, um den oft diskutierten Wettbewerbsnachteil des deutschen Gesellschaftsrechts gegenüber dem angloamerikanischen Raum abzubauen. Doch es gilt in diesem Rahmen noch viele offene Fragen zu klären. Zu beobachten gilt es insbesondere, welche Kompetenzen die benannte zentrale Anlaufstelle erhalten wird und welche Rolle in diesem Rahmen zukünftig den Notaren zugedacht wird.

Auch im Hinblick auf das Ziel der Schaffung verbesserter Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen ist eine Überarbeitung des aktuell geltenden Gesellschaftsrechts notwendig. Denn zusätzlich zu den steuerlichen Rahmenbedingungen erschwert auch das Gesellschaftsrecht die einfache und kostengünstige Implementierung und Durchführung eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms auf internationalem Niveau (s. hierzu Startup Strategie Deutschland – Mitarbeiterbeteiligungen (schalast.com)).

Die zukünftige Regierung beabsichtigt zudem, Börsengänge und Kapitalerhöhungen sowie Aktien mit unterschiedlichen Stimmrechten (Dual Class Shares) in Deutschland gerade auch für Wachstumsunternehmen und KMUs zu erleichtern und somit Standortnachteile im Vergleich zum angloamerikanischen Rechtsraum abzubauen. Ziel dieser Maßnahme dürfte es u.a. sein, erfolgreiche Startups davon abzuhalten, ihren Börsengang an einer ausländischen Börse zu platzieren, weil über die Dual Class Shares dort die Möglichkeit besteht, durch das IPO Kapital einzuwerben, aber gleichzeitig die Kontrolle über das Unternehmen zu behalten.

Im Zusammenhang mit diesem Maßnahmenbündel ist auch der beabsichtigte Bürokratieabbau zu sehen. Geplant ist ein sogenanntes Bürokratieentlastungsgesetz mittels dessen der bürokratische Aufwand von zukünftigen Gründerinnen und Gründern reduziert werden soll, um somit den „Selbstständigen, Unternehmerinnen und Unternehmern mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben schaffen.”. Sollte diese Absicht tatsächlich konsequent umgesetzt werden, wird auch dies zur Steigerung der Attraktivität der Bundesrepublik Deutschland als Startup-Standort beitragen, denn derzeit genießt Deutschland international sicherlich den wenig attraktiven Ruf als das Land der Bürokratie.

Technologie-Transfer, Förderung von Innovationen aus Deutschland

Innovation, Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind drei wesentliche Themen des Koalitionsvertrages, die auch im Startup-Umfeld eine erhebliche Bedeutung habe. Dabei zielt der Koalitionsvertrag nicht nur auf die Förderung von Startups im privaten Umfeld, sondern auch aus dem öffentlichen Bereich der Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Gefördert werden dabei insbesondere solche Geschäftsmodelle, die grundlegende Innovationen hervorbringen oder besonders nachhaltig sind.

Ein den Koalitionsvertrag an verschiedenen Stellen beherrschendes Thema ist dabei die Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Technologietransfer, also die Übertragung und wirtschaftliche Verwertung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Wirtschaft.

Nicht ohne gewissen Stolz wird im Koalitionsvertrag die Entwicklung des ersten mRNA-Impfstoffes in Mainz als Beispiel für Innovationen aus Deutschland im Bereich der Biotechnologie genannt. Um derartige Innovationen künftig besser fördern zu können, möchte die neue Regierungskoalition insbesondere eine „Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI)“ gründen. Außerdem soll ein „Reallabor- und Freiheitszonengesetz“ geschaffen werden, durch das innovative Geschäftsmodelle unter realen Bedingungen erprobt werden können. Das Model der regulatory sandbox scheint künftig also ausgeweitet zu werden.

Um einen echten Innovationsschub in Deutschland zu erreichen, sollen Ausgründungen aus Hochschulen vorangetrieben werden, indem Hochschulen Mittel des Bundes bereitgestellt werden. Damit sollen Innovationen gefördert und eine flächendeckende Gründungsinfrastruktur geschaffen werden. Um die erforderlichen Ausgründungen voranzutreiben, beabsichtigen die Koalitionsparteien nicht weniger als eine (zwingend erforderlichen) Kulturwandel zu bewirken, welcher die Ausgründungskultur in Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen in der Breite stärkt; dieser Wandel soll durch gezielt Science-Entrepreneurship-Initiativen begleitet werden. Zudem wird zumindest in Erwägung gezogen, für Ausgründungen aus Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen einen speziellen Fonds zu etablieren indem sich die Bundesregierung offen zeigt „für die Etablierung eines German Tech Transfer Fund“.

Innovation und Transfer von der Grundlagenforschung bis in die Anwendung soll gezielt gefördert und beschleunigt werden. Um dies zu erreichen, sollen Shared-Service-Plattformen Synergiemanagement und effizientere Berichtspflichten unterstützen, die derzeit noch hinderliche Bürokratie in Forschung und Verwaltung abzubauen.

Umfangreichere Möglichkeiten zur Finanzierung von Startups

Neben der Entbürokratisierung von Unternehmensgründungen und dem Technologie-Transfer greift die neue Regierungskoalition auch den zwingend erforderlichen Ausbau der Finanzierung von Startups an verschiedenen Stellen des Koalitionsvertrages auf. So wird die vielversprechende These aufgestellt:

„Wir fördern digitale Startups in der Spätphasenfinanzierung und stärken den Venture-Capital-Standort.“

Hierbei wird zunächst auf die Ausweitung der Wagniskapitalförderung gesetzt: Privates Kapital deutscher institutioneller Anleger, etwa von Pensionskassen und Versicherungen, soll für die Finanzierung von Startups mobilisiert werden können. Dafür soll der Zukunftsfonds den Wagniskapitalmarkt auch für institutionelle Investoren öffnen und die deutsche Finanzierungslandschaft über eine flexible Modulausgestaltung gezielt ergänzen. Von dem Ausbau der Finanzierung durch institutionelle Anleger dürften aufgrund des Risikoprofils vor allem reifere Startups überdurchschnittlich profitieren. Flankierend wird die Rolle der staatlichen Förderbank KfW aufgewertet und deren Kapitalbasis, wenn nötig, gestärkt. Diese soll als Innovations- und Investitionsagentur sowie als Co-Wagniskapitalgeber auftreten, insbesondere für die als besonders förderungswürdig eingestuften Zukunftsbranchen KI, Quantentechnologie, Wasserstoff, Medizin, nachhaltige Mobilität, Bioökonomie und Kreislaufwirtschaft. Auch die Zusammenarbeit mit der Europäischen Investitionsbank soll gezielt ausgeweitet werden.

Dass bei der Finanzierung von Startups in Deutschland ein großer Standortnachteil insbesondere im Hinblick auf die dem US-amerikanischen VC-Markt deutlich „hinterherhinkende“ Spätphasenfinanzierung im Rahmen von Series-A oder Series-B Kapitalrunden besteht, ist hinreichend bekannt. Dennoch spielt das Thema Finanzierung von Startups im Koalitionsvertrag eine erstaunlich untergeordnete Rolle, die der Bedeutung zur Erreichung des Ziels, führender Startup-Standort in Europa zu werden, nicht gerecht wird. Das Ziel der Bundesregierung, die benannte digitale Schlüsseltechnologien und Zukunftstechnologien zu fördern ist aber nur mit einer guten Startup Finanzierungsstruktur zu erreichen.

Auch das bisherige Förderinstrumentarium soll ausgeweitet werden. Der Zugang zu öffentlichen Aufträgen soll für Startups erleichtert werden indem öffentliche Ausschreibungen und Beschaffungsprozesse für Startups - im Umfeld des stark regulierten Vergaberechts - einfacher gestaltet werden; dadurch soll mehr privates Kapital für Transformationsprojekte aktiviert werden. Zudem soll geprüft werden, welche Beträge öffentliche Förderbanken kapitalmarktnah zur Risikoabsicherung leisten können. Ansonsten sollen Die bestehenden Förderprogramme bedarfsgerecht und flexibel ausgestattet und dynamisch fortgeschrieben werden, was sicherlich gut gemeint aber wenig innovativ klingt.

Hinsichtlich der Startup-Finanzierung ist also gleich ein ganzes Bündel an, wenn auch zumeist noch wenig konkreten, Maßnahmen geplant. Auch ist nicht ganz nachzuvollziehen, warum die Stärkung des Venture Capital Standorts auf die Digitalwirtschaft beschränkt sein soll, spielen weitere Innovationstechnologien und Nachhaltigkeit eine ebengewichtige Rolle im Koalitionsvertrag. Insgesamt sind die Ansätze und Zielvorgaben aber zu begrüßen. Bisher sind es nämlich vielfach ausländische institutionelle Investoren, die deutsche Startups in der Wachstumsphase mit viel frischem Kapital versorgen. Möchte man Deutschland als Innovationsort stärken und gleichzeitig Wissenstransfer ins Ausland verhindern, müssen einheimische Investoren vermehrt dazu bewegt werden, in die deutsche Startup-Szene zu investieren.

FinTech Förderung

Für FinTechs, InsurTechs, Plattformen, NeoBroker soll Deutschland einer der führenden Standorte innerhalb Europas werden. Neue Technologien, wie z.B. Blockchain, sollen gezielt gefördert und hierfür ein angemessener regulatorischer Rahmen geschaffen werden.

Das europäische Finanzmarktaufsichtsrecht soll fit für die Digitalisierung gemacht werden, um eine ganzheitliche und risikoadäquate Aufsicht über neue Geschäftsmodelle sicherzustellen. Gerade für den Kryptobereich wird die Bedeutung einer gemeinsamen europäischen Aufsicht hervorgehoben.

Was das konkret bedeutet und wie eng der regulatorische Rahmen insbesondere für Kryptoassets gesteckt werden wird, bleibt abzuwarten. Hier europaweit gültige Standards zu schaffen, ist angesichts der grenzüberschreitenden Tätigkeit der meisten Startups im Bereich der digitalen Finanzdienstleistungen sicherlich begrüßenswert.

Gründerinnen-Förderung

Gezielt sprechen die Regierungsparteien die Anhebung der Frauenquote unter den Gründern durch eine gezielte Förderung von Gründerinnen an. Konkret soll der Anteil von Gründerinnen im Digitalsektor durch Schaffung eines Gründerinnen-Stipendiums und Reservierung eines Teils des Anfang 2021 gegründeten Zukunftsfonds speziell für Gründerinnen erhöht werden. Hürden für Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund beim Zugang zu Finanzierungen und Förderungen sollen abgebaut und besserer Zugang zu Wagniskapital für Gründerinnen sichergestellt werden.

Was genau das Gründerinnen-Stipendium beinhaltet – „nur“ finanzielle Unterstützung oder auch Coaching, Zugang zu ausgewählten Netzwerken oder sonstige Unterstützungsleistungen –, und ob dieses tatsächlich nur für den Digitalsektor vorbehalten bleibt, geht aus dem Koalitionsvertrag nicht hervor. Die Pläne sind aber ein zu begrüßender Schritt hin zu mehr Diversität in der deutschen Gründerszene. Flankierend hierzu sollen Frauen auch stärker in staatlichen Investment-Komitees vertreten sein.

Ausblick

Der Koalitionsvertrag zeigt, dass die Ampel-Regierungskoalition die gewichtige Bedeutung von Start-ups für den Wirtschaftsstandort Deutschland erkannt hat und ausbauen möchte (s. hierzu auch die Studie der Internet Economy Foundation, Roland Berger und der Deutsche Börse Gruppe: Für ein Wirtschaftswunder 2.0. Wie Startups und Scaleups den deutschen Arbeitsmarkt beflügeln).

Nicht immer scheinen die Ausführungen im Koalitionsvertrag dabei schlüssig zu sein; zu gewichtigen Themen fehlen oftmals mehr als plakative Ankündigungen, was bedauerlich ist. Dennoch stellen die Ankündigungen zumindest teilweise bereits konkrete Vorgaben auf, an denen sich die neue Regierungskoalition messen lassen muss. So hat Anna Christmann zuletzt in ihrer neuen Funktion als Beauftragte des Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz  für Digitale Wirtschaft & Start-ups angekündigt, mit der Start-up-Strategie sofort loszulegen (Posten | Feed | LinkedIn). 

Es ist daher begrüßenswert, dass der Koalitionsvertrag Startups sehr umfangreich die nötige Anerkennung beimisst, um auf einen tatsächlichen Ausbau der Startup Kultur in Deutschland hinzuwirken und Deutschland zu einem führenden Standort für Startups in Europa zu etablieren und Wettbewerbsnachteile insbesondere zum angloamerikanischen Raum abzubauen.